U3 Wirth
Teil II. Fortsetzung von Oera Lindas
U. Konrad
- 3. Wiedervereinigung
- 4. Ljudgert: Panj-ab
Wirth 1933
[/111] Nun will ich schreiben über seinen Sohn Adel
Friso, der unsere Geschichte aus dem Buche der Adelingen2 kennengelernt hatte, hat alles getan, um ihre Freundschaft zu erwerben. Seinen ersten Sohn, den er hier gewann bei Swethirte, seinem Weibe, hat er zur Stund Adel geheißen. Und obgleich er seine ganze Macht dafür einsetzte, daß keine Burgen wieder hergestellt noch aufgebaut wurden, so sandte er doch Adel nach der Burg auf Texland, auf daß er durch und durch alles dessen kundig werden sollte, was zu unseren Gesetzen, unserer Sprache und unseren Sitten gehört. Als Adel zwanzig Jahre zählte, ließ Friso ihn in seine eigene Schule kommen, und als er ausgelernt hatte, ließ er ihn durch alle Staaten fahren. Adel war ein liebenswürdiger Jüngling: auf seinen Fahrten hat er sich viele Freunde gewonnen. Daher ist es gekommen, daß das Volk ihn Atharik (Freundereich) nannte, was ihm nachdem sehr wohl zustatten gekommen ist. Denn als sein Vater gestorben war, blieb er an seiner Statt, ohne daß die Wahl eines anderen Grafen zur Erörterung gekommen wäre.
[112] Derweilen Adel in Texland in der Lehre war, befand sich gleichzeitig eine sehr liebe Maid auf der Burg. Sie war den aus den Sachsenmarken herkünftig, aus dem Staat, der geheißen ist Svoboland1. Darum ward sie zu Texland Svobene geheißen, obgleich ihr Name Ifkja war. Adel hatte sie liebgewonnen, und sie hatte Adel lieb. Aber sein Vater befahl ihm, er solle noch warten. Adel war gehorsam, aber sobald sein Vater gestorben war und er auf dessen Sitz saß, sandte er sofort Boten zu Bertholde, ihrem Vater, ob er seine Tochter zum Weibe haben dürfte. Bertholde war ein Fürst von unverdorbenen Sitten. Er hatte Ifkja nach Texland in die Lehre gesandt, in der Hoffnung, daß sie einmal zur Burgmaid gekoren werde in seinem eigenen Lande. Doch er hatte ihrer beider Begehren erfahren: darum ging er hin und gab ihnen seinen Segen.
Ifkja war eine rechte Fryas. Soweit ich sie kennengelernt habe, hat sie immer gewirkt und gestrebt, auf daß Fryas Kinder wieder unter dasselbe Gesetz und unter einen Bann kommen möchten. Um die Menschen auf ihre Seite zu bringen, war sie, als sie von ihrem Vater fortging, mit ihrem Friedel durch alle Sachsenmarken gefahren und weiter nach Gertmannia. Gertmannia, also hatten die Gertmänner ihren Staat geheißen, den sie durch Gosas Betreiben erhalten hatten. Von dort gingen sie nach den Dänemarken. Von den Dänemarken schifften sie sich ein nach Texland. Von Texland gingen sie nach Westflyland und so die See entlang nach Walhallagara hin. Von Walhallagara zogen sie den Rhein entlang, bis sie mit großer Gefahr zu den Marsaten kamen, worüber unsere Apollanja geschrieben hat. Als sie dort eine Weile geblieben waren, gingen sie wieder abwärts. Als sie nun eine Zeitlang zur Niederung abwärts gefahren waren, bis sie in die Gegend der alten Burg Aken (Aachen) kamen, sind unversehens vier Knechte ermordet und nackt ausgeplündert worden. Sie waren ein wenig zurückgeblieben. Mein Bruder, der überall dabei [113] war, hatte es ihnen oft verboten, doch sie hatten nicht gehorcht. Die Mörder, die das getan hatten, waren Twiskländer, die heutzutage dreist über den Rhein kommen, um zu morden und zu rauben[1].
Wie Apollonja, sahen sie sich die Lydasburg und das Alderga an. Von dort zogen sie über Staverens Orte bei ihren Leuten herum. Sie hatten sich so liebenswert geführt, daß die Menschen sie allewege behalten wollten. Drei Monate später sandte Adel Boten an alle Freunde, die er gewonnen hatte, und ließ sie bitten, sie sollten im Minnemonat weise Leute zu ihm senden...
- Hier fehlt in der Abschrift ein Blatt, zwei Seiten, welches dem Schreiber des Kodex D bei seiner Abschrift von Kodex C bereits gefehlt haben muß.)
... seine Frau, sagte er, die Maid gewesen war zu Texland, hatte davon eine Abschrift erhalten. Auf Texland werden noch viele Schriften gefunden, die nicht in dem Buche der Adelingen[2] abgeschrieben sind. Von diesen Schriften hat Gosa eine zu ihrem letzten Willen gelegt, welche durch die älteste Maid, Albethe, offenkundig werden sollte, sobald Gosa gestorben wäre.
Hier ist die Schrift mit Gosas Rat
Als Wralda den Müttern des menschlichen Geschlechtes Kinder gab, da legte er eine Sprache auf alle Zungen und auf alle Lippen. Dies Geschenk hatte Wralda den Menschen gegeben, damit sie einander dadurch erkennbar machen konnten, was man meiden muß und welchen Dingen man nachstreben muß, um Seligkeit zu finden und Seligkeit zu behalten in aller Ewigkeit. Wralda ist weise und gut und alles vorhersehend. Sintemal er nun wußte, [114] daß Glück und Seligkeit von der Erde fliehen müssen, wenn die Bosheit die Tugend betrügen kann, so hat er mit der Sprache eine gerechte Eigentümlichkeit fest verbunden. Diese Eigentümlichkeit liegt darin, daß man damit keine Lüge sagen, noch trügerische Worte sprechen kann sonder Stimmentstellung und sonder Schamrot, wodurch man die von Herzen Bösen zur Stund erkennen mag. Nachdemmalen unsere Sprache also den Weg zum Glück und zur Seligkeit zeigt und also mitwacht wider die bösen Neigungen, darum ist sie, mit Recht Gottessprache geheißen, und alle diejenigen, die sie in Ehren halten, haben dadurch Freude.
Doch was ist geschehen? Alsobald inmitten unserer Halbschwestern und Halbbrüder Betrüger aufstanden, die sich selbst für Gottesknechte ausgaben, ist das gar schnell anders geworden. Die betrügerischen Priester und die ruchlosen Fürsten, die immer miteinander verschworen sind, wollten nach Willkür leben und außer dem Gottesgesetz handeln. In ihrer Schlechtigkeit sind sie hingegangen und haben andere Sprachen ersonnen, damit sie heimlich sprechen können in Gegenwart aller anderen über alle bösen Dinge und über alle unwürdigen Dinge, ohne daß Stammeln sie verraten noch Schamrot ihr Antlitz entstellen könnte. Aber was ist daraus geboren? Ebenso leicht wie der Same der guten Kräuter in der Erde aufgeht, der offenkundig gesäet worden ist von guten Leuten am hellen Tage, ebenso leicht bringt die Zeit die schädlichen Kräuter an das Licht, die gesäet sind von bösen Leuten im Verborgenen und in der Finsternis.
Die lockeren Mädchen und die unmännlichen Knaben, die mit den unreinen Priestern und Fürsten hurten, entlockten die neuen Sprachen ihren Buhlen. Auf solche Weise sind sie weitergekommen unter die Völker, bis daß die Gottessprache gänzlich vergessen wurde. Willst du nun wissen, was daraus geworden ist? Nun Stimmentstellung und Miene ihre bösen Leidenschaften nicht länger verrieten, ist die Tugend aus ihrer Mitte gewichen, Weisheit ist gefolgt und Freiheit ist geschwunden; Eintracht ist verlorengegangen und Zwiespalt hat ihre Stätte eingenommen; Liebe ist geflohen und Hurerei sitzt mit Neid am Tisch, und da, wo ehemals Gerechtigkeit waltete, waltet nun das Schwert. Alle sind Sklaven geworden, die Leute von ihren Herren, die Herren von Neid, bösen Gelüsten und Begehrlichkeit. Hätten sie nun [115] noch eine Sprache erfunden, möglicherweise wäre es dann noch eine Weile gut gegangen.
Aber sie haben so viele Sprachen erfunden, als es Staaten gibt. Dadurch vermag das eine Volk das andere ebensowenig zu verstehen als die Kuh den Hund oder der Wolf das Schaf. Dies können die Seefahrer bezeugen. Daher ist es nun gekommen, daß alle Sklavenvölker einander als andere Menschen betrachten und daß sie zur Strafe für ihre Unachtsamkeit und ihre Vermessenheit einander so lange bekriegen und bekämpfen müssen, bis sie alle vertilget sind.
Hier ist nun mein Rat
Bist du also begierig, die Erde allein zu erben, so sollst du nimmer eine andere Sprache über deine Lippen kommen lassen als die Gottessprache, und dann geziemt es dir zu sorgen, daß deine eigene Sprache freibleibt von ausheimischen Klängen. Willst du nun, daß welche von Lydas Kindern und von Findas Kindern bleiben, dann tuest du desgleichen. Die Sprache der Ost-Schonländer ist von den unreinen Magjaren verhunzt; die Sprache der Keltana-Folger ist von den schmutzigen Golen verdorben. Nun sind wir so mild gewesen, die zurückkehrenden Hellenja-Anhänger wieder in unsere Mitte aufzunehmen, aber ich befürchte sehr, daß sie unsere Milde vergelten werden durch Verhunzung unserer reinen Sprache.
Vieles ist uns widerfahren, aber von allen Burgen, die durch die arge Zeit zerstört und vertilgt worden sind, hat Irtha Fryasburg unversehrt erhalten. Auch darf ich dabei berichten, daß Fryas oder Gottes Sprache hier ebenso unversehrt erhalten ist.
Hier auf Texland sollte man also Schulen stiften: von allen Staaten, die es mit den alten Sitten halten, muß das junge Volk hierher gesandt werden; danach dürfen diejenigen, die ausgelernt haben, den anderen wieder helfen, die daheim verharren. Wollen die anderen Völker Eisenwaren von euch kaufen und darüber mit euch sprechen und dingen, so müssen sie zur Gottessprache wiederkehren. Lernen sie die Gottessprache, so werden die Worte »frei sein« und »recht haben« zu ihnen eingehen, in ihren Häuptern wird es dann beginnen zu glimmen und glühen, bis es zu einer [116] Lohe wird. Diese Flamme wird alle bösen Fürsten und Scheinfrommen und schmutzigen Priester verzehren.
Die einheimischen und ausheimischen Sendboten fanden Gefallen an der Schrift: doch es kamen keine Schulen. Da gründete Adel selber Schulen; nach ihm taten die anderen Fürsten wie er. Alljährlich gingen Adel und Ifkja hin und besuchten die Schulen. Fanden die unter den Einheimischen und Ausheimischen »Selige«, die einander Freundschaft entgegenbrachten, so zeigten sie große Freude. Hatten einige »Selige« einander Freundschaft geschworen, so ließen sie alle Menschen zusammenkommen, und mit großem Gepränge ließen sie dann deren Namen in ein Buch schreiben, von ihnen das Buch der Freundschaft geheißen. Alle diese Bräuche wurden aufrechterhalten, um die gesonderten Zweige des Fryas-Stammes wieder zu verbinden. Doch die Maiden, die Adel und Ifkja neideten, sagten, daß sie es um nichts anderes täten, als um des guten Rufes willen und um allmählich zu herrschen über den Staat eines anderen.
[Großes Teil übersprungen – Wirths Erklärungen werden hier in kleinerer Schrift angezeigt]
- Es folgt nun der Brief des Gertmannen Ljudgert, welchen er bei den Schriften seines Vaters gefunden hätte. Der Brief enthält eine kurze Beschreibung über »Pang-ab«:
... das ist ‘fünf Wässer’, aus deren Nähe wir herkommen, ist ein Strom von besonderer Schönheit und ‘fünf Wässer’ geheißen, weil vier andere Ströme durch seinen Mund in die See fließen. Ganz weit ostwärts ist noch ein großer Strom, der heilige oder fromme Gong-ga (Ganges) geheißen.
- Der ganze Teil wurde von mir als spätere Überarbeitung eines nicht mehr festzustellenden Kerns gestrichen.
Fußnoten
- ↑ Der Schreiber des Urkodex A hat Veranlassung genommen, die Verachtung der reinrassigen Fryas und Wralda-Verehrer für die Franken in einigen Bemerkungen an die Ahnherren der »ältesten Tochter der Kirche«, die Franken und ihren Imperialismus zu richten, dessen Handlanger die Kirche war. Diese Bemerkungen sind wahrscheinlich von den späteren Schreibern von Kodex B und C mit jenen Etymologien versehen, die von mir, wie viele andere, gestrichen wurden. Von den Twiskländern heißt es nämlich: Sie sind verbannte oder weggelaufene Fryaskinder. Sie hatten ihre Weiber von einem braunen Finda-Volk genommen und nannten sich selber Frya oder Franka.«
- ↑ Der Adal-Bund oder die Adela-Folger.